Irgendwie habe ich mich aber doch sehr gut mit dem Band amüsiert.
Schlonnyes Versuche in der ersten Kurzgeschichte sind dermaßen hilflos, plump und ungeschickt, dass er einem leid tun kann. Die Erwiderungen seiner Krieger sind witzig und schlagfertig und Mills wäre nicht Mills, wenn er darin nicht wieder an seinem pseudokeltischen Über-Überbau basteln würde. Außerdem ist es spaßig, dass hier auch einem Seher eine Überraschung präsentiert wird. Die Story hat, auch durch die Grausepiafarbtöne, in die man diese Geschichte getunkt hat, eine relativ „neutrale“ Stimmung, aus der so ziemlich alles entstehen kann.
Darauf folgt (was eigentlich ziemlich logisch ist) ein Abriss über Schlonnyes Verhältnis zu seinen beiden Hauptfrauen. Dazu witzige keltische Paartherapie. Der kann’s nicht lassen, der Mills. Wichtig ist aber, dass sowohl Schlonnye als auch Niamh gestärkt aus der Sache herauskommen und sogar (was vielleicht unseren Helden, nicht aber den Leser überrascht) so etwas wie Erkenntnisgewinn mitnehmen. Bei dem „Wilden Mann des Hains“ und seiner Erscheinung fühlt man sich wieder an die ersten Corum-Episoden vom guten alten Moorcock erinnert – Das fühlt sich gut an, noch besser aber fühlt sich an, dass Mills hier auch wieder eigene Wege geht. Dass der „wilde Mann“ in seiner Affenartigkeit die Wildheit der Natur symbolisieren kann, oder auch ein Verweis darauf sein kann, dass wir Menschen (vor unserer Menschwerdung) ein unschuldiger(er) Teil der Natur waren, zu der man zurückfinden kann oder dass er einfach ein Witz ist – Das könnte dieser immer wieder mal erwähnten „Dualität“ in der Erzählung und der Erzählstruktur geschuldet sein. Und ich wette, jedes Mal, wenn man Mills fragt, was das denn nun wirklich sollte, wird er etwas komplett anderes antworten.
Tja, und das waren dann die Präambeln zum magnum opus. Und das ist ein Klopper. Ich empfehle, vor der Lektüre die ARD-Audiothek zu bemühen:
https://www1.wdr.de/podcast/podcastp...icker-100.html
Da gibt’s zumindest so etwas wie eine historische Einordnung.
Man könnte die Hexenkönigin wirklich (wie oben) als hundert Seiten Schlachtengetümmel mit bekanntem Ausgang zusammenfassen. Das interessiert Mills und seine Maler zwar auch, aber nicht nur. Viel interessanter ist aber, was hier noch so alles mitschwingt. Da ist das inzwischen fast zum Klischee verkommene „Gut und Böse sind so verschieden nicht und oftmals nicht zu unterscheiden“, gefolgt von der gewaltsamen Landnahme, die, durch die Erdgöttin Danu verkörpert, eine Vergewaltigung ist – Schlonnye begreift sich auf und in ihrem Körper inzwischen (wie es es sich selbst für einen Barbarenfürsten geziemt und höflich ist) als Gast, die Römer sehen das anders. Wir erleben, was beide Parteien aus ganz verschiedenen Gründen für „Kunst“ oder „Barbarei“ halten. Und das lesen wir ganz wunderbar in den Gesichtern der Beteiligten. Da braucht es keine Captions oder andere erklärende Texte.
Und Elfric sowieso, das androgyne Scheusal, das ganz eigene Ziele verfolgt und beide Seiten zu seinem Amüsement benutzt. Für ein Heft, dass sich mal ursprünglich an „blutrünstige Zwölfjährige“ richtete (gut, die kriegen in dieser Geschichte kübelweise Blut), ist eine deutliche Aufforderung, darüber nachzudenken, WEM denn der eine oder andere Konflikt tatsächlich nützt, schon ziemlich erwachsen. Und man kann in solchen Fällen leider immer davon ausgehen, dass der Nutznießer (sei es in körperlicher, sei es in moralischer Form) monströs ist.
Da wir bei „Jugend“ sind: Interessant auch, dass in dieser Geschichte die aus Jugendbuch, TV und Kino berühmte Neunte Legion aufgerieben wird. Aus diesem hübschen kleinen Buch, das mir zu Grundschulzeiten mal zugewichtelt wurde, kannte ich übrigens auch die sensenbewehrten keltischen Streitwagen. Gruselige Dinger.
Mills und seine Freunde kennen sie auch. Latürnich.
Nebenbei gibt’s wieder Namen, Namen, Namen. In Fußnoten, im Glossar, in den Sprechblasen – Sie sind überall. Und Jens R. Nielsen setzt sich auf ihre Spur wie ein Hund von Tindalos, schreibt sich die Finger in den Fußnoten wund und weiß vermutlich bei jedem Namen und jedem Ort, dass die Leute (lies: ich) das wieder nicht nachschlagen und weiter verfolgen werden.
Nach dieser Heldenreise mit (siehe oben) bekanntem Ausgang folgt ein ganz cleverer Abgesang. Nämlich die Rückkehr des Hochkönigs.
Schlonnye stellt nämlich fest (und da bin ich wieder bei meiner Grundaussage, dass die Geschichte auserzählt war), nicht heimkehren kann. Diese seine Geschichte ist tatsächlich vorbei. Es gibt keinen Weg zurück. Nicht zu seinen Kriegern, nicht zu seiner Frau, schon gar nicht zu seinem Sohn, den er nie gekannt hat. Er betritt stattdessen eine Welt, die längst nicht mehr so sinnenfroh ist, wie sie eigentlich sein sollte. Ein Britannien, das auch (möglicherweise) vergewaltigt und (auf jeden Fall) gezähmt und gebändigt ist. Oder als gezähmt und gebändigt gilt. Und das ist traurig. Vergleiche dazu, was Rollo der Wikinger gesagt hat: „Christ zu sein ist gar nicht schlecht [...], ich bin mehr für den Frohsinn.“
Vollständig aus dem Rahmen (zeitlich, chronologisch, erzählerisch) fällt die Bonus-Episode mit der Schlacht von Clontarf.
Herr Nielsen erklärt ihr Vorhandensein in diesem Band allerdings auf eine so sympathisch-pragmatische Art, dass man seiner Argumentation einfach folgen muss.
Und dafür, dass ich die Geschichte für beendet gehalten hatte, bin ich tatsächlich doch seeehr neugierig auf die nächsten Bände geworden. Denn Slaine als Heldentyp ist vor verschiedenen Hintergründen einsetzbar, zumindest, solange er sich in Britannien bewegt. Das hat Mills hier bewiesen. Und seinen Malern nehme ich nur wenig übel. Am meisten allerdings die fehlenden niedlichen Sommersprossen. Ansonsten darf sich jeder austoben, zeigen, was er kann und diversen (alten wie modern(d)en) Meistern huldigen. Dann sehen die Diluvials halt mal so oder so aus, Elfric ebenfalls und der Verwindungskrampf MUSS eigentlich immer anders aussehen. Doch, doch. Der Dantes Verlag hat da was ganz Hübsches am Start.
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