Nach der etwas speziellen Homer-Variante bin ich für meinen nächsten Mehrteiler mal wieder bei Vertigo wildern gegangen. Davon abgesehen, dass ich von dem Label noch nix wirklich Schlechtes in die Finger bekommen habe mag ich Western und in einem unsrer „Autorenthreads“ war Brian Azzarello Thema.
Loveless 1 – Blutrache
Es verschlägt uns in die Zeit kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, wo Wes Cutter nach den zermürbenden und traumatisierenden Kriegsmühen in seine Heimat Blackwater zurückkehrt. Dass er seiner Farm zwischenzeitlich enteignet wurde findet er natürlich gar nicht witzig, aber warum scheinen alle anderen Bewohner des kleinen Städtchens so schlecht auf ihn zu sprechen zu sein? Und wo ist Cutters Frau abgebleiben?
Sicher keine neue, aber eine spannende Ausgangsposition für einen Western, der im weiteren Verlauf doch die ein oder andere neue Wendung nimmt, und somit erfrischend zu überraschen weiß. Das Dream-Team aus Zeichner Marcello Frusin und Autor Brian Azzarello hat mich am Hellblazer schon begeistert und wer sich an Loveless rantraut wird schnell merken, dass es hammerharte Western a La Durango oder Bouncer nicht nur bei den Franko-Belgiern zu finden gibt.
8,5/10
Sandman Deluxe 4: Über die See zum Himmel
Nach dem schon enorm starken Einstieg hatte die Reihe für meinen Geschmack ja etwas nachgelassen und Band drei war „nur noch“ gut. Mit diesem vierten Band findet Neil Gaiman aber nicht nur zu alter Stärke zurück, nein, er läuft zu absoluter Bestform auf und präsentiert den für mich bisherigen Höhepunkt der Saga um den Sandman.
Schon die erste Seite konnte mich begeistern. Lady Constantine? Ernsthaft? Die taffe Braut hat mir schon in ihrem Solo-Band während Paninis Hellblazer-Reihe den Kopf verdreht. Als mich die Story dann noch mitten in die Französische Revolution verschlägt, ein wie ich finde absolut faszinierendes Setting, bin ich hin und weg.
Der nächste, einfach nur wundervoll erzählte One-Shot um Caius Julius Caesar Octavianus verschlägt uns ins mächtige Rom, wo der Kaiser sich als Bettler ausgibt um unter seinen Gefolgsleuten zu wandeln. Aber die Geschichte, die er seinem kleinwüchsigen Lieblingsschauspieler dann offenbart strotzt nur so vor tiefer Traurigkeit und Melancholie – aber wie gesagt – einfach wundervoll erzählt.
In der nächsten, wiederum äußerst faszinierenden Story, lernen wir Dreams Familie noch ein wenig näher kennen. Vor allem Despair und Delirium bekommen mal etwas mehr Screentime, wobei mir Letztere schon dezent auf den Keks geht. Mal schauen wohin sich das noch entwickelt, wenn wir uns mal näher kennenlernen.
Das alles ist aber nur ein kleines Vorgeplänkel, denn als nächstes Folgt das Herzstück des Bandes, „A Game of You“. In dem sechs Hefte umfassenden, vor Fantasie nur so strotzenden Storybogen machen sich ein paar knuffige Fabelwesen auf den gefährlichen Weg die Prinzessin ihres Landes wiederzufinden und nach Hause zu bringen, bevor der böse Kuckuck ihr Land in gänzlich in Kälte und Finsternis stürzt. Dumm nur, dass es die anscheinend ins New York unserer Welt verschlagen hat, und sie nichts mehr von ihrer blaublütigen Herkunft weiß…
Das Feuerwerk an tollen Charakteren, spannenden Wendungen und wunderschöner Erzählkunst, welches Mr. Gaiman hier abbrennt ist einfach famos! Dazu gelingt es ihm beinahe spielerisch wichtige Themen und Denkanstöße zu integrieren, ohne belehrend oder gar anklagend rüberzukommen. Wenn ich mir die heutige Gender-Bewegung so anschaue war der gute Neil seiner Zeit da weit voraus. Einfach nur beeindruckend.
Aber auch nach dem großen Hauptplot lässt der Autor in keinster Weise nach. Da wartet die Variation einer klassischen Werwolf-Gruselstory, Marco Polos märchenhafte Reise in die Wüste (ich liebe ja Wüsten!) und die stellenweise äußerst blutige Zusammenkunft des Parlaments der Krähen darauf entdeckt zu werden.
All das von wechselnden Künstlern in stets passendem, bezauberndem Artwork auf die Seiten gebracht. Hach, ich liebe es und kann mir kaum vorstellen, dass es noch besser werden kann – Meisterwerk!
10/10
Loveless 2 – Begraben in Blackwater
Nicht nur hart, dreckig und blutig, sondern auch äußerst Sexy kommt dieser zweite Band daher, in dem es Wes Cutter aufgrund ganz besonderer Umstände geschafft hat zum Sherriff von Blackwater – von den Leuten mittlerweile eher „Shitwater“ genannt – ernannt zu werden. Seiner Beliebtheit war das allerdings auch nicht zuträglich, und so muss er stets auf der Hut sein, wenn er versucht die Parteien gegeneinander nach bester „Für eine Handvoll Dollar“-Manier auszuspielen.
Ein wenig schade ist es, dass Marcelo Frusin nur noch die Cover beisteuert, das Artwork aber abgegeben hat. Allerdings ist das spätestens ab dann zu verschmerzen, wenn Werther Dell’Edera in der zweiten Hälfte den Zeichenstift von Danijel Zezelj übernimmt, von Letzterem war ich nämlcih nicht soo begeistert. Umso begeisterter hat mich dagegen Azzarellos Schreibe, denn die Story bekommt mit dem schwarzen Ex-Sklaven und Kopfgeldjäger Atticus eine fast so starke Nebenfigur verpasst wie Ruth Cutter, der taffsten Lady, der ich in einem Western je begegnet bin. Ich stehe ja total auf starke Frauenfiguren und feiere Azzarello total für den Band, der mich zum Finale auch noch mit einem ganz üblen Cliffhanger catcht!
8,5/10
Conan der Cimmerier: Der Schwarze Kreis
Conan im Manga-Style, kann das gutgehen? Oh ja, das kann! Auch wenn er seltsamerweise nicht auf dem Cover vermerkt ist (da steht Designer Jae Kwang Park), so sind die Zeichnungen und die zugehörige Kolorierung von Hiroyuki Ooshima eines Barbaren mehr als würdig. Klar, wenn man mit Manga gar nichts anfangen kann wird man wohl seine Probleme haben, vor allem bei den recht typischen, und für meinen Geschmack zu jung aussehenden, Gesichtern. Andererseits geht Ooshima absolut in die Vollen, wenn es um Detailgrad und Dynamik geht, und in Sachen Gore kann ich sagen, dass in den blutigen Schlachten der rote Lebenssaft weit großzügiger über die Seiten verteilt wird, als es bislang der Fall war.
Die Story selbst ist wieder enorm dicht an der literarischen Vorlage angelegt, welche ich zur Vorbereitung gelesen habe. Sylvain Runberg schreibt Howard so auf den Punkt, dass ich wirklich keine Szene der Original-Geschichte vermisst habe, und das, obwohl in der Story wirklich viel passiert! Neben dem Hauptauftrag des Kampfes gegen die mächtigen Magier des schwarzen Kreises gibt es allerlei Schlachten zu bestehen, Verrat lauert an jeder Ecke, wilde Verfolgungsjagden, Bergvölker, Riesenschlangen (mal wieder…), gibt es erneut die starke Frauenfigur zu bewundern, die Conan schließlich sogar abblitzen lässt. Ein tolles Stück Sword & Sorcery Fantasy und ein weiterer starker Franko-Belgischer Conan, diesmal mit asiatischem Einschlag.
8/10
Loveless 3 – Saat der Vergeltung
Wham! Na da hat der gute Mister Azzarello die Karten doch mal komplett neu gemischt und das Genre schön auf den Kopf gestellt. Wie genau mag ich jetzt natürlich nicht verraten, es soll ja nicht allzu viel gespoilert werden, aber mit seinem Twist, an dem ich wirklich eine Weile zu knabbern hatte, bzw. ziemlich lange rätseln durfte, was denn jetzt eigentlich Sache ist, hat er zu 100% meinen Geschmack getroffen.
Insgesamt gesehen ist der Paperback wieder eine ganz harte Nummer, in der sich die abgebrühten Mistkerle die Klinke in die Hand geben. Ob bezahlte Killer, Kopfgeldjäger, Korrupte Soldaten, miese Südstaaten-Rednecks oder einfach nur die Feiglinge, die lieber wegsehen und sich ducken statt endlich mal Eier zu zeigen. Das grobe Artwork von Danijel Zezelj passt zu diesem enorm dreckigen Setting sicher ganz gut, mir persönlich gefällt dennoch weiterhin Werther Dell’Ederas Arbeit besser (auch wenn ich Marcelo Frusin weiter nachtrauere).
8,5/10
Batman – Europa
Wenn ich doch gerade so im Azzarello-Flow bin, weshalb nicht auch gleich mal eine seiner Fledermaus-Arbeiten sichten? Hierbei ist der Name Programm, denn aufgrund eines tödlichen Virus hetzt der dunkle Ritter auf der Jagd nach einem Gegenmittel quer durch die schönsten Städte der alten Welt. Berlin, Prag, Paris und Rom stehen auf der Reiseroute und allesamt sind sie von ihrem jeweiligen Zeichner, denn auch derer gibt es vier, absolut herausragend in Szene gesetzt worden. Der ganze Band ist von vorne bis hinten ein wahrer Augenschmaus in vier deutlich unterschiedlichen, charakterstarken Zeichenstilen. Alleine das ist schon einen Kauf wert. Die recht schlicht gehaltene, äußerst geradlinige und etwas zu vorhersehbare Story ist zwar nicht langweilig, liest sich auch spritzig weg, in dem Fall aber doch eher mittel zum Zweck. Von Brian Azzarello und Matteo Casali routiniert geschrieben, aber die Stars des Bandes sind eindeutig Giuseppe Camuncoli, Jim Lee, Diego Latorre und Gerald Parel am Zeichenbrett – famos!
7/10
Loveless 4 – Stunde der Abrechnung
Düster, knallhart und erfüllt von Rache. So könnte man den Showdown von Loveless kurz und prägnant zusammenfassen. Kurz und prägnant? Ja, das passt auch, denn gerade mal drei der sechs in diesem Paperback versammelten Hefte braucht Brian Azzarello um sein abgründiges Südstaatenepos zu einem blutigen Ende zu bringen. Schlimm? Ganz im Gegenteil! Mir ist es zehnmal lieber gezielt und fesselnd auf ein fulminantes Finale zugetrieben zu werden, statt eine eigentlich auserzählte Story künstlich in die Länge zu ziehen. Zu wissen, wann Schluss sein sollte, ist manchmal auch eine Tugend!
Als kleine „Entschädigung“ bietet uns Mister Azzarello in den letzten drei Heften einen kleinen Abriss der besonderen Art in amerikanischer Geschichte. In drei kürzeren Stories präsentiert er uns seine Variante von „Flucht in Ketten“, wir dürfen 1934 in Texas ein paar Meilen mit Bonnie & Clyde runterreißen und dürfen Anfang des neuen Jahrtausends Mr. Foley auf seinen ersten Schritten aus dem härtesten Knast der USA begleiten, wo er für mehr als 20 Jahr „begraben war“. Allesamt tolle, stimmige Stories, die zuweilen gar zum Nachdenken anregen. Toller Job Meister Azzarello!
8/10
Apropos „Flucht in Ketten“, welche Verfilmung findet Ihr denn am besten? Ich mag den TV-Film mit Carl Weathers und Robert Urich ja sehr gerne, aber an das Original mit Curtis und Poitier kommt er bei weitem nicht ran. Die Lady-Variante mit Pam Grier und einer gewissen Margaret Markov kenne ich nicht. Taugt die was?
The Fountain
Manchmal sind Projekte einfach zu ambitioniert um in adäquater Weise umgesetzt zu werden. Vor allem, wenn es sich um eine derart außergewöhnliche Geschichte handelt, die epische Ausmaße annimmt, besondere Sichtweisen aufweist, zwar wunderschön ist, der aber mit 100%iger Sicherheit ein breites Massenpublikum verwehrt bleiben wird. In solch besonderen Momenten bekommen es die Geldgeber zumeist mit der Angst zu tun und ziehen den Schwanz ein. Bestes Beispiel für ein solches Projekt ist sicherlich Jodorowskys Dune, und auch wenn „The Fountain“ sicherlich niemals diesen Status erreichen wird, so liegt in dieser Herzensangelegenheit von Autor und Regisseur Darren Aronofsky doch immens viel schöpferische Kraft und ganz viel Liebe.
Zu ambitioniert um realisiert zu werden? Gab es da nicht einen Film mit Rachel Weisz und Hugh Jackman? Klar, und genau wie ich sagte blieb der wundervolle Genre-Streifen einem größeren Publikum unerschlossen. Allerdings war es auch so, dass sich Regisseur und Autor Aronofsky nach dem Absprung aller großen Studios auf seine Wurzeln besinnen musste, und aus seiner großen Idee einen zwar feinen, aber kleinen Independent-Streifen gemacht hat. Was Vertigo uns hier bietet ist allerdings nichts Geringeres als die ursprüngliche Vision, der definitive „Director’s Cut“ des visionären Querdenkers Aronofsky. Zwar nicht auf der großen Leinwand, aber in nicht minder faszinierenden Bildern in einer herzergreifenden, anrührenden, mich emotional einfach nur mitreißenden Graphic Novel. 176 ungewöhnliche Seiten voller Schaffenskraft, denen man die sechsjähre Entstehungsphase nicht anmerkt, so aus einem Guss wirkt die Novelle. Ein derart intensives „Ich muss das jetzt an einem Stück lesen“-Erlebnis hatte ich zuletzt bei I Kill Giants, nur dass „The Fountain“ noch mehr fürs Auge bietet.
9,5/10
Ein wilder Vertigo-Ritt mit einem Schuss Fledermaus und einer Schwerthandbreit Barbar, grandioses Set! Mein nächster Mehrteiler geht in die barbarische Richtung und wurde von (Alt)Meister Richard Corben in Szene gesetzt.
VG, God_W.
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