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Fumetto
Ich finde, die Comicforschung hat häufig das Problem, das sie in der Literatur- und Erzählforschung längst diskutierte Probleme aufgreift, allerdings in Unkenntnis des jeweiligen Wissensstandes. [...] Insofern ist kein einziger Erzähler zuverlässig, auch der nicht, der es fortlaufend beteuern (etwa in den weit verbreiteten Herausgeberfiktionen der dt. Romantiker). Die Zuverlässigkeitserwartung setzt ja eigentlich auch voraus, dass das Erzählen, wo es redlich betrieben wird, ein direktes und ungefiltertes Abbild der Wirklichkeit ist. Da Erzählen aber im Wesentlichen Erinnerungsarbeit ist, und jeder weiß, wie unzuverlässig und manipulativ die Erinnerung ist, sollte es niemanden überraschen, dass diasselbe auch für das Erzählen gilt. Das Problem des unzuverlässigen Erzählers ist also tatsächlich ein Scheinproblem, denn Erzählen ist immer weder zuverlässig noch unzuverlässig (das sind ja übrigens auch recht unglückliche, moralisierende Begriffe), sondern fiktional und mehrdeutig. [...]Die Narratologie ist es jedenfalls nicht, da Comics eben, wie gesagt, die meiste Zeit über gar nicht erzählen (es sei denn, man verwendet den Begriff des Erzählens in metaphorischer Weise für das Erzählen in Bildern; aber dann hat man die Suche nach präzisen Begriffen schon aufgegeben).
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