Djawads Blick hatte sich verdunkelt und ohne ein weiteres Wort schritt sie an Nedwey vorbei, warf Hilel dabei einen undeutbaren Blick zu, der den sowieso schon etwas verzweifelt dreinschauenden Jungen noch kleiner werden ließ und eilte dann schnellen Schrittes vom Forum und verließ es durch den hintersten der Zugänge.
Nedwey seufzte, als sie sie der ungestümen Kriegerin hinterhersah, und wandt sich dann wieder an ihre Gäste: "Verzeiht. Ja, Ihr habt recht: Djawad, Hilel und ich selbst kennen den Ort, an welchem der Splitter verwahrt wurde. Doch wir haben keine Ahnung, wie er entwendet worden sein könnte, Hilel sagte mir, alles sei unversehrt gewesen." Sie seufzte abermals, ganz offenbar traf es sie schwer, dass ausgerechnet in der Stunde, in der die Erfüllung ihrer Pflicht gefordert wurde, sich herausstellte, dass sie vielleicht versagt hatte.
Schließlich setzte auch sie sich abrupt in Bewegung und deutete den vieren wie auch Hilel ihr zu folgen. "Kommt und seht selbst, vielleicht können wir gemeinsam mehr herausfinden. Ich verspreche euch, so leicht bestiehlt man uns Gerudos nicht - oder man wird in uns seine Meister finden." Sie alle wussten, worauf die alte Kriegerin anspielte: die Gerudo hatten einst als Diebesvolk gegolten.
So folgten sie (begleitet von Hilel, von dem sie nun bemerkten, dass er kaum älter sein konnte als Laleila, vielleicht gar jünger) Nedwey durch denselben Durchgang, den auch Djawad zuvor benutzt hatte und stießen auf einen weiteren, beeindruckenden Raum: eine große Halle, deren sämtliche Wände mit Reliefen bearbeitet waren. Offenbar wurden verschiedene Szenen dargestellt, vielleicht ergaben sie zusammen eine Geschichte, doch es blieb kaum Zeit, die Kunstwerke näher zu begutachten, denn Nedwey durchschritt den Raum zügig und lief auf dessen Rückwand zu, wo ein Thron aus dunklem Jaspis aufgestellt war (das somit bisher einzige Objekt aus einem anderen Material als Sandstein). An dessen Seiten war eine Schräge, die über die gesamte Breite der Wand etwa 2 Meter vom Boden zur Wand im 45-Grad-Winkel überbrückte, und in die links und rechts vom Thron eine Vertiefung eingelassen war, die wie ein Wasserlauf aussah oder aber vielleicht mit Öl gefüllt und entzündet werden konnte. Die Wand hinter dem Thron war die einzige ohne szenisches Relief, stattdessen prangte daran das gleiche Symbol, welches Altus auch schon auf dem magischen Transporter ausgemacht hatte und welches Aros als Symbol der Geister erkannte.
Nedwey ging zielstrebig auf den Thron zu und als sie sich näherten, erkannten sie alle, dass er nicht direkt mit der Wand abschloss, sondern offenbar ein Stück nach vorne gerückt worden war. Nedwey stieg die Schräge hinauf und dann hinter den Thron. Als die anderen folgten, sahen sie, dass in der Wand dahinter eine schmale Öffnung war, welche offensichtlich durch den Thron verborgen werden konnte, nun aber (vermutlich von Djawad) freigelegt worden war. Dahinter war ein schmaler, kaum ein halber Schritt breiter Gang, der nach wenigen Metern in eine Kammer führte, aus welcher Fackelschein drang.
Als sie darin ankamen, erwartete sie Djawad, die offenbar ihre Schritte vernommen hatte. "Weg!", sagte sie nur, und schien fassungslos, mit der linken deutete sie auf eine kleine Holztruhe, deren Deckel geöffnet war und die ganz offensichtlich leer war. Daneben lag eine Kette aus schwarzem Stahl und ein geöffnetes Schloss.
"War das so?", fragte Djawad, als Hilel als letzter den Raum betrat, doch dieser schüttelte den Kopf: "Nein, ich selbst habe den Zugang zur Kammer und auch die Truhe geöffnet. Alles war unversehrt, nur der Splitter fehlte." In der Stimme des Jungen schwang Resignation mit. In Djawads Stimme hingegen hörte man deutlich eine Mischung aus Unglauben und Wut: "Ich habe den Raum eben komplett abgesucht... nichts! Nicht eine Spur, kein Hinweis, was geschehen sein könnte. Im Grunde können wir nichteinmal sicher sein, dass der Splitter tatsächlich entwendet wurde und sich nicht vielleicht einfach in Luft aufgelöst hat."
Einen Moment herrschte eine bedrückende Stille, dann war es schließlich Nedwey, die sprach, doch nur leise und mehr zu sich selbst, so als denke sie lediglich laut: "Vielleicht gibt es Spuren, die wir mit unseren Sinnen nur nicht erfassen können?"
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