Beim Lesen vom 2. Teil der Monster-Saga von Enki Bilal fällt mir ein, was ich kürzlich über Tim und Struppi schrieb, dass es früher einen edukativeren Ansatz beim Schreiben von Comics gab. In Reiseziel Mond bekam der Leser einiges zum Verständnis der Materie mit. Heute versteht man als anspruchsvoll, wenn man dem Leser Lücken lässt, die er selber ggf. füllen muss, wenn er nicht selbst schon Bescheid weiß. Dieses Prinzip ist mir zum ersten Mal bei "Es war einmal der Mensch" aufgefallen. Da wurde ganz viel nur im Ansatz erzählt und man wurde im Grunde aufgefordert, sich anfallende Fragen selbst zu beantworten durch eigene Nachforschungen.
Und "32. Dezember" macht mir schmerzlich klar, wie wenig ich eigentlich über den gesamten Kosovo-Serbien-Sarajevo-Komplex weiß. Der sehr hohe Grad an Abstraktion, mit dem Bilal hier die Verarbeitung dieses Themas in einer hoch komplexen Science Fiction-Zukunft vornimmt, hängt mich ganz schön ab, bzw. macht mir klar, dass ich teilweise keine Ahnung habe. Das erinnert mich an meine 80er. Ein Klassenkamerad hatte eine Freundin, die war Jugoslawin. Und als die dann abends mal zum ersten Mal dabei war, sagte sie mir "Jugoslawien? Das gibt es eigentlich gar nicht." Und das war uns allen damals völlig neu. Und so fremd, dass ich es auch nicht nach stundenlanger Berichterstattung verstehen konnte. An dieser Stelle könnte eine noch längere Geschichte beginnen über die Naivität, in der unsere Generation aufgewachsen ist.
Zurück zu Bilal. Ich muss auf jeden Fall vor dem 2. Lesen mal etwas Studium betreiben. Der dort beschriebene virtuelle Charakter der Realität hingegen, der ist mir durchaus bewusst und ich bin nicht wenig fasziniert, wie umfänglich Bilal diese Angelegenheit 2003 schon durchschaut hat. Wow. Dabei nimmt vieles davon doch heute erst die Form an, die Bilal hier schon beschreibt. Wenn die handelnden Personen nicht in der Lage sind zu entscheiden, ob sie das Original sind oder eine der Kopien und wieviele gibt es eigentlich? Ganz schön abgefahren, dieser Zyklus. Konsequent von Nikopol herkommend, und dennoch mindestens einen Schritt weiter. Optimistisch ist das nicht. Aber hochgradig faszinierend. Der dritte Teil soll laut Klappentext der realistischste und friedlichste sein? Das wage ich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch zu bezweifeln.
Der Monster-Zyklus von Carlsen. Ein echtes modernes Meisterwerk.
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