Er war wieder unterwegs, um seinen Durst zu stillen. Sowie jede Nacht und das schon seit ewiger Zeit. Er hatte sich schon nicht mehr die Mühe gemacht, genau nach zu zählen. Wozu auch, er würde ewig leben. Er war eins der Geschöpfe, die schon seit Anbeginn der Zeit die Erde bevölkerten. Er lies seinen Blick durch die Ferne schweifen und überlegte.
Etwas muß sich verändern und es wird sich verändern. Nichts wird mehr so sein, wie es war, sprach er in seinem Geist, ehe er sich das Umfeld genauer anschaute. Heute war noch nicht der Zeitpunkt dazu und das wußte Danyeal. Was waren noch eins, zwei Tage mehr warten, in seinem langen Leben. Er hatte schon so viel erlebt.
Er stand auf und sprang mit einem weiten Satz auf das nächste Dach, was etwa 5m entfernt war. Er hatte einen Menschen gerochen, eine Frau. Sofort nahm er die Fährte auf. Sie war ganz in seiner Nähe, daß wußte er genau. Doch halt, irgend etwas anderes war noch hier, irgendeine andere Gestalt. Sie war anscheinend hinter dieser Frau her, daher auch der Geruch von Angst, furchtbarer Angst. Anscheinend lief die Frau um ihr Leben. Er wußte, daß diese Gestalt kein Mensch war, sondern eine Kreatur der Nacht.
Danyeal lief weiter, unsichtbar für das menschliche Auge, dafür war er einfach zu schnell. So eine Gabe hatte schon seine Vorteile. Seine Beute hatte dadurch nicht die geringste Chance ihm zu entkommen und auch im Kampf konnte es sehr hilfreich sein. Er wußte nicht mehr, wie es war, nur ein Mensch zu sein. So schwach und gebrechlich.
Er erreichte das nächste Häuserdach. Zwischen der Frau und ihm lag jetzt nur noch eine kleine dunkle Gasse, die nur von dem Vollmond erhellt wurde. Für seine Augen stellte es kein Problem dar, er konnte hier so gut sehen, als ob ein Tausenwattstrahler direkt vor ihm stand. Doch für die Frau mußte es hier fast stockdunkel sein. Sie war sozusagen blind und in der Falle. Doch das wußte sie noch nicht. Eine große Mauer verhinderte ihre Flucht.
Danyeal verharrte, er wollte unbedingt wissen, was für ein dämonisches Wesen hier, außer ihm, noch war. Er erstarrte, daß was er sah, gefiel ihm überhaupt nicht. Die Veränderung würde doch schon früher beginnen, da er die ganze Zeit angenommen hatte. Er wußte zwar, daß es bald soweit wäre, doch das überraschte ihn. Sie hatte ihn vollkommen überrascht. Er war schon mittendrin und wußte es bis zu diesem Zeitpunkt nicht.
„Ich hätte mich besser vorbereiten sollen“, murmelte er unhörbar für andere. „Verdammt, ich muß noch schnell etwas erledigen.“
Doch zuerst mußte er sehen, was mit der Frau passieren würde. Der Hunger war ihm sowieso schon vergangen. Der Vorteil seines Alters war, daß er nicht mehr verpflichtet war, jeden Tag Blut zu trinken, wie die Küken seiner Gattung. Er konnte es spielend eine Woche ohne den belebenden Saft aushalten.
Was veranlaßte dieses Wesen auf die Oberwelt zu kommen? Normalerweise trauten sie sich nie soweit vor.
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