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Thema: Ist der Comic per se die geeignetste Ausdrucksform in der erzählenden Kunst?

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  1. #1
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    Ist der Comic per se die geeignetste Ausdrucksform in der erzählenden Kunst?

    ...wenn man denn auch zeichnen kann...

    Das schien jedenfalls selbst schon Johann Wolfgang Goethe zu ahnen, als er der Arbeiten seines Zeitgenossen Rodolphe Töpffer gewahr wurde, der heute als Urvater des Comics bezeichnet wird:

    "Wenn er künftig einen weniger frivolen Gegenstand wählte und sich noch ein bisschen mehr zusammennähme, so würde er Dinge machen, die über alle Begriffe wären"

    Der Comic als die ultimative Ausdrucksform in der erzählenden Kunst? In der hiesigen Fachliteratur finde ich dazu so schnell nichts... vielleicht klingt die These aufgrund des inzwischen verwendeten degradierenden deutschsprachigen Terminus "Comic" auch hierzulande etwas zu gewagt. Doch wie es sich anhört hätte selbst Goethe, wenn sein Zeichentalent denn seinen übrigen Talenten gleichgekommen wäre, sich vom Erzählungen- und Stückeschreiben aufs Comiczeichnen verlegt...

    Ich jedenfalls empfinde heute einige Sternstunden des Comics vom Erzählerischen her jedem Roman, Erzählung, Film, Serie, Theaterstück oder Hörspiel, die ich kenne, überlegen. Und das scheint mir eben an den Möglichkeiten der Kunstform Comic zu liegen, so sie denn entsprechend ausgeschöpft werden.

    Die steile These möchte ich, bevor ich weitere Argumente bringe, gern hier zur Diskussion stellen. Es ist ja mal wieder auch mehr so ein Gefühl, als dass ich das wirklich wissenschaftlich untermauern könnte. Aber es schwirrt doch noch so einiges dazu in meinem Kopf herum...
    Geändert von Huba (06.07.2021 um 08:41 Uhr)

  2. #2
    Mitglied Avatar von Pickie
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    Interessante These und das schöne Goethe-Zitat war mir vor ein paar Jahren auch begegnet.

    Da kommt dann auch das bekannte Picasso-Zitat wieder in den Sinn (der bedauert haben soll, keinen Comic gemacht zu haben).

    Andererseits zuletzt Watterson: "The artform is dying."

    Schließt natürlich nicht aus, dass es trotzdem - technisch - die "geeignetste" erzählende Ausdrucksform ist/wäre ...

  3. #3
    Mitglied Avatar von frnck1960
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    Das hat alles seine Stärken und Schwächen. Bei Comics fehlt mir z.B. die Sprachmelodie, wie sie in jedem guten Roman geben ist. Außerdem sind Comics sprachlich doch zu einem gewissen Grad limitiert. Auch das Vermitteln von Informationen und Details geht bei Romanen deutlich besser (man vergleiche nur mal
    The Plot von Will Eisner mit Das Foucaultsche Pendel von Umberto Eco; da wirkt der Eisner wie ein besseres Kinderbuch).
    Andererseits haben Comics wiederum diverse Vorteil ggü reiner Prosa:

    - das Darstellen von Kostümen/Landschaften

    - der Aufbau von Charakteren mit Wiedererkennungswert (Tintin als Romanserie hätte eher nicht funktioniert)

    - Kompaktheit

  4. #4
    Mitglied Avatar von Largo Beutlin
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    Bei aller Liebe zu Comics, ein gutes Buch bietet dem Leser und dem Erzähler doch wohl mehr.

    Zb. Die Horde des Windes. Das Comic gefällt mir sehr gut, aber ich warte schon sehnsüchtig auf die dt Übersetzung des Romans, der mir sicher noch viel mehr an Story bieten wird.

    Aber Comics haben mir oft so nebenbei Themen näher gebracht, bei denen ich nie zu einem Buch greifen würde.

    Die 9. Kunst ist wohl nicht die 1. kunst, aber darf sich immer noch Kunst nennen! ;-)

  5. #5
    Mitglied Avatar von Mick Baxter
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    Zitat Zitat von Largo Beutlin Beitrag anzeigen
    Bei aller Liebe zu Comics, ein gutes Buch bietet dem Leser und dem Erzähler doch wohl mehr.

    Zb. Die Horde des Windes. Das Comic gefällt mir sehr gut, aber ich warte schon sehnsüchtig auf die dt Übersetzung des Romans, der mir sicher noch viel mehr an Story bieten wird.
    Man kann es sicher immer drehen, wie man es will. Die Romanadaption eines Comics wird ebenfalls selten die Vorlage übertreffen. Denn praktischerweise werden die Urheber möglichst Geschichten für ihr Werk auswählen, die zur Erzählform passen. Und damit meist für andere weniger gut.
    Das ICOM-Heft zum Gratis Comic Tag 2012 jetzt herunterladen (7,3 MB)!

  6. #6
    Mitglied Avatar von JRN
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    Es war immer eine Leitthese der ArGL, der Arbeitsstelle für Graphische Literatur an der Universität Hamburg, dass "Literatur" und "gegenständliche Zeichnung und Malerei" sich aus einem ursprünglichen menschlichen Bedürfnis entwickelt haben, mithilfe von graphischen Zeichen zu kommunizieren.
    Genauso auch der "Comic" oder, weniger verfänglich, das Erzählen in distinkten visuellen Einheiten ["Panels"]. Wozu mindestens auch Storyboards gehören, aber auch Witzbildserien mit stehenden Figuren oder Heiligenbilder, in denen das gleiche Figureninventar innerhalb desselben Rahmens mehrfach angeordnet ist [oder der Teppich von Bayeux und und und].
    Von daher ist die von @Huba geäußerte These weder "neu" noch "steil".

    Dass sie sich bisher nicht allgemein durchgesetzt hat, hat vor allem mit der Trägheit akademischer Diskurse zu tun.
    Wer zum Beispiel eine wissenschaftliche Arbeit über Comics in der Kunstgeschichte einreicht, muss darin vorrangig belegen, dass er oder sie mit dem Begriffsinventar und den Argumentationsmustern seines oder ihres Fachs vertraut ist. Dabei kann auch bei besten Absichten immer nur eine Betrachtung der Graphischen Literatur als "Sonderform von Bildwerken" herauskommen.
    In der Literaturwissenschaft enden Comics dann dementsprechend als "Sonderformen des literarischen Erzählens [mit Bildern anstelle von Wörtern]".
    Ihrem Fach gegenüber konservativ eingestellte Akademikerinnen und Akademiker [also fast alle] lassen sich danach allerhöchstens zur "gewagten" These hinreißen, Comics seien eine "hybride Form" aus Bild- und Textelementen, die irgendwie "eigen" durchmischt würden.

    Dementgegen standen die ArGListigen der Gründungsphase [darunter der Schreiber dieser Zeilen] immer auf dem Standpunkt, dass Buchstaben [die Grundbausteine der Schrift und damit der Literatur] ursprünglich Bildzeichen gewesen sind, die ihren Bildgehalt im Zuge zunehmender Standardisierung und Abstraktion weitgehend verloren haben [aus einem Rinderschädel wird erst ein Aleph und dann ein komplett bedeutungsleeres "a"], während in "klassischen" gegenständlichen Bildwerken die Narration zunehmend auf einen einzigen Moment verdichtet wird - was, selbstverständlich, auch eine Form hoher, allegorischer Kunst ist.
    Warum aber diese beiden "hochgezüchteten" Sonderformen des Erzählens in Bildzeichen so sehr verabsolutiert worden sind [und weiterhin werden], ist, diesseits von akademischer Traditionspflege und Pfründesicherung, nicht einzusehen.

    Die ursprünglichen visuellen Erzählerinnen und Erzähler haben mit einem Stock Zeichen in den Sand gekritzelt [für alle, die ein "griffiges" Bild brauchen]. Daraus sind irgendwann Buchstaben und Karikaturen, Symbole und Tafelbilder geworden ... und Graphische Literatur [von der der Comic eine wichtige Ausprägung ist].

    Und Goethe? Dem war es immer wichtig, an das "Ursprüngliche" all dessen, was er getan oder was ihn interessiert hat, zu gelangen. Klar, dass er in den Arbeiten Toepffers etwas gesehen hat, das quer zum verkrusteten Kategoriendenken seiner Zeit gestanden hat, das für ihn aber nicht so sehr "neu" war, sondern "ursprünglich". Schließlich wird auch bei der Inszenierung auf dem Theater viel mit "erzählenden" Zeichnungen gearbeitet ...

    Mit 1000 Grüßen,
    JRN

  7. #7
    Premium-Benutzer Avatar von dino1
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    Problem beim Comic ist natürlich immer die individuelle Interpretation der Schaffenden.

    Während ich bei einem Roman mir mehr oder weniger mein eigenes Bild einer Person erschaffe und der Situation im Allgemeinen sind gerade im Comic und Film diese klar vorgegeben.

    Von daher gibt es dahingehend sicher eine Limitierung.

    Was für mich aber nicht zu einer gleichzeitigen Wertigkeit führt, da bin ich eher offen und bei @JRN.

  8. #8
    Mitglied Avatar von PhoneBone
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    Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass "Comic-Lesen" anspruchsvoller ist, als einen Roman zu lesen, oder ein Hörspiel zu hören. Warum? Weil der Comic seine Geschichte auf 2 völlig unterschiedliche Arten erzählt, nämlich durch Kombination von Bild und Text. Nur beides zusammen ergibt die ganze Geschichte und damit den Sinn. Text alleine und Bild alleine funktionieren meist nicht. Beim Romanlesen muss man sich dagenen nur auf den Text konzentrieren, es gibt kein "Störfeuer". Comics sprechen beim Menschen 2 unterschiedliche Bereiche im Gehirm an, die nicht jeder so einfach verbinden kann. Es gibt Menschen, die haben enorme Schwierigkeiten einen Comic zu lesen, eben weil sie sich nur auf einen Teil konzentrieren können: Bild ODER Text. Vielleicht gibt es deshalb auch Comics, bei denen eine Textbox nochmal beschreibt, was man im Bild sieht (z.B. Blake & Mortimer). Verwirrend wird es für unser Gehirn, wenn Handlung in Text und Bild nicht übereinstimmen, der Text etwas ganz anderes erzählt als das Bild (der große Indienschwindel).

  9. #9
    Mitglied Avatar von Pickie
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    Zitat Zitat von Huba Beitrag anzeigen
    Ich jedenfalls empfinde heute einige Sternstunden des Comics vom Erzählerischen her jedem Roman, Erzählung, Film, Serie, Theaterstück oder Hörspiel, die ich kenne, überlegen. Und das scheint mir eben an den Möglichkeiten der Kunstform Comic zu liegen, so sie denn entsprechend ausgeschöpft werden.
    Welches waren für Dich denn die letzten beiden (jüngsten) dieser Sternstunden?

  10. #10
    Mitglied Avatar von PhoneBone
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    Huba Hopp...ich spring mal rein: für mich waren das in jüngerer Zeit ganz klar:

    1.) "das Nest" von Loisel, bei dem Geschichte und Emotionen unheimlich stark über die Bilder transportiert werden, bei dem Bild und Text zuweilen virtuos auseinander driften, unterschiedliche Handlungsstränge quasi gleichzeitig weiterführen und dann wieder verschmelzen. Das ist ganz große Kunst und kann mit keinem anderen Medium in der Art erreicht werden.

    2.) "Das goldene Zeitalter", ein unfassbar virtuoser Zeichestil trifft hier auf eine intensive Geschichte. Die Bilder transportieren abseits vom Text einfach nur durch die Farbgebung die emotionale Wandlung der Hauptfigur. Auch hier kann kein anderes Medium das entsprechend umsetzen.

  11. #11
    Mitglied Avatar von frnck1960
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    Zitat Zitat von BonePhone Beitrag anzeigen
    Huba Hopp...ich spring mal rein: für mich waren das in jüngerer Zeit ganz klar:

    1.) "das Nest" von Loisel, bei dem Geschichte und Emotionen unheimlich stark über die Bilder transportiert werden, bei dem Bild und Text zuweilen virtuos auseinander driften, unterschiedliche Handlungsstränge quasi gleichzeitig weiterführen und dann wieder verschmelzen. Das ist ganz große Kunst und kann mit keinem anderen Medium in der Art erreicht werden.
    Das ist eigentlich das perfekte Beispiel für einen Plot, der zuvor schon etliche Male, viel besser in Romanen umgesetzt wurde.

  12. #12
    Mitglied Avatar von PhoneBone
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    Der Plot vielleicht, aber die Art und Weise ist hier ausschlaggebend. Hier werden Emotionen über Bilder erzeugt, nicht über Text.

  13. #13
    Premium-Benutzer Avatar von dino1
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    Zitat Zitat von BonePhone Beitrag anzeigen
    Der Plot vielleicht, aber die Art und Weise ist hier ausschlaggebend. Hier werden Emotionen über Bilder erzeugt, nicht über Text.

    Also 'Das Nest' ist wirklich vorzüglich um Zeichneranfänger auf den richtigen Weg zu bringen. Exzellentes Storytelling, das ist wirklich herausragend.

  14. #14
    Mitglied Avatar von Mr.Hyde
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    Nichts ist "per se". Mal gewinnt man, mal verliert man. Das zeigt sich deutlich im Vergleich. So verliert der Comic fast immer bei Romanadaptionen, gewinnt aber ebenso meist wenn er selbst etwa als Film adaptiert wird.

    Es gibt im Comic Meisterwerke die den Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Ein Herriman steht mit Krazy Kat auf einer Stufe mit Ulysses von James Joyce, die Prattsche Südseeballade mit Stevensons Schatzinsel, und ich wage sogar den Barkschen Donald Duck auf Augenhöhe zu Brechts Herrn K zu sehen. Aber das sind rare Ausnahmen.

    Zwei Dinge hat der Comic im Gegensatz zu anderen Kunstformen aber nie geschafft. Er hat nie ein Werk hervorgebracht auf das sich eine breite Masse über ein paar Fans oder Spezialisten hinaus als große Kunst einigen konnte. Und da komm mir jetzt keiner mit Asterix!

    Viel wichtiger aber, der Comic hat nie ein Werk hervorgebracht, das wirklich Einfluß gehabt hat. Lieder, Bücher, Filme und auch Gemälde oder Fotos haben es immer wieder geschafft den Zustand einer Gesellschaft zu verdichten, und damit Bewußtsein zu verändern oder zu focusieren. Nur so kann Kunst zur Hymne einer Generation werden. Literatur, Film, Fotographie oder Musik sind voller solcher Beispiele. Ein vergleichbar wirkungsstarkes Werk gibt es im Comic nicht.

    Der Grund dafür ist einfach. Comic ist in der Wahrnehmung zu kompliziert, erfordert zu viel Aufmerksamkeit im Konsum. Darum schafft er es nicht auf die Gefühlsebene der Menschen durchzudringen, er verharrt immer auf der Verstandesebene. Das ist seine größte Schwäche.

    Dem Comic fehlt der Rausch um große Kunst zu sein!
    Geändert von Mr.Hyde (07.07.2021 um 11:00 Uhr)

  15. #15
    Mitglied Avatar von PhoneBone
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    Zitat Zitat von Mr.Hyde Beitrag anzeigen

    Zwei Dinge hat der Comic im Gegensatz zu anderen Kunstformen aber nie geschafft. Er hat nie ein Werk hervorgebracht auf das sich eine breite Masse über ein paar Fans oder Spezialisten hinaus als große Kunst einigen konnte. Und da komm mir jetzt keiner mit Asterix!

    Viel wichtiger aber, der Comic hat nie ein Werk hervorgebracht, das wirklich Einfluß gehabt hat.
    Da muss ich wiedersprechen, sowohl Micky Maus, also auch Donald Duck hatten und haben sehr wohl großen Einfluss auf unsere Kultur. Was ist mit Superman und Batman? Die werden wahrscheinlich länger Bestand haben, und die Gesellschaft prägen, als jedes Werk von Thomas Mann. Und auch Asterix hat seinen Weg in unser alltägliches Leben gefunden, denn wer kennt ihn nicht, den berühmten Passierschein A38?

  16. #16
    Mitglied Avatar von frnck1960
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    Zitat Zitat von BonePhone Beitrag anzeigen
    Da muss ich wiedersprechen, sowohl Micky Maus, also auch Donald Duck hatten und haben sehr wohl großen Einfluss auf unsere Kultur. Was ist mit Superman und Batman? Die werden wahrscheinlich länger Bestand haben, und die Gesellschaft prägen, als jedes Werk von Thomas Mann. Und auch Asterix hat seinen Weg in unser alltägliches Leben gefunden, denn wer kennt ihn nicht, den berühmten Passierschein A38?
    Traurig, aber wahr. Daniela Katzenberger dürfte auch mehr Einfluss auf die Jugend haben als die großen weiblichen Persönlichkeiten der deutschen Geschichte (von Hannah Arendt bis Hildergard von Bingen). Oder Dieter Bohlen wird mehr gehört als Mozart.
    Ist das der richtige Weg? Ich glaube nicht.

  17. #17
    Mitglied Avatar von Pickie
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    Zitat Zitat von Mr.Hyde Beitrag anzeigen
    Nichts ist "per se". Mal gewinnt man, mal verliert man. Das zeigt sich deutlich im Vergleich. So verliert der Comic fast immer bei Romanadaptionen, gewinnt aber ebenso meist wenn er selbst etwa als Film adaptiert wird.

    Es gibt im Comic Meisterwerke die den Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Ein Herriman steht mit Krazy Kat auf einer Stufe mit Ulysses von James Joyce, die Prattsche Südseeballade mit Stevensons Schatzinsel, und ich wage sogar den Barkschen Donald Duck auf Augenhöhe zu Brechts Herrn K zu sehen. Aber das sind rare Ausnahmen.

    Zwei Dinge hat der Comic im Gegensatz zu anderen Kunstformen aber nie geschafft. Er hat nie ein Werk hervorgebracht auf das sich eine breite Masse über ein paar Fans oder Spezialisten hinaus als große Kunst einigen konnte. Und da komm mir jetzt keiner mit Asterix!

    Viel wichtiger aber, der Comic hat nie ein Werk hervorgebracht, das wirklich Einfluß gehabt hat. Lieder, Bücher, Filme und auch Gemälde oder Fotos haben es immer wieder geschafft den Zustand einer Gesellschaft zu verdichten, und damit Bewußtsein zu verändern oder zu focusieren. Nur so kann Kunst zur Hymne einer Generation werden. Literatur, Film, Fotographie oder Musik sind voller solcher Beispiele. Ein vergleichbar wirkungsstarkes Werk gibt es im Comic nicht.

    Der Grund dafür ist einfach. Comic ist in der Wahrnehmung zu kompliziert, erfordert zu viel Aufmerksamkeit im Konsum. Darum schafft er es nicht auf die Gefühlsebene der Menschen durchzudringen, er verharrt immer auf der Verstandesebene. Das ist seine größte Schwäche.

    Dem Comic fehlt der Rausch um große Kunst zu sein!
    Oh, Du hast den Post noch ergänzt. Ich fand ihn bisher schon sehr gut, jetzt noch mehr. Wo hast Du diese mMn treffenden Aussagen denn her, der Threadersteller meinte ja, man findet allgemein wenig zum Thema.

  18. #18
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    Na ja, Barfuß in Hiroshima wurde z.B. über 6 Mio. mal in Japan verkauft und war jahrelang Schulpflichtlektüre. Kann mir nicht vorstellen, dass das gar keinen gesellschaftlichen Einfluss dort hatte

  19. #19
    Mitglied Avatar von Mr.Hyde
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    Dafür gibt es keine mir bekannten Vorlagen in der Literatur. Aber im Gegensatz zum Postulat im Eingangspost sehe ich den Comic (bei aller Liebe) eben als eine der schwächeren Erzählformen, weil sie vom Leser zu viele eigene Entscheidungen abfordert. Das beginnt bei der Lesegeschwindigkeit und endet bei der Gewichtung von Wort gegen Bild. Eine der Folgen der daraus resultierenden Simplifizierung beim Wandel des Comics zum Heft als Kindermedium (im Gegensatz zu den frühen Zeitungscomics) ist daher gerade die Verwendung einfach erfassbarer Stereotype und Chiffren.

    Das ist auch mit ein Grund warum hier im Forum lieber über Form als über Inhalt diskutiert wird. Das haptische eines Comicalbums erreicht die Gefühlsebene nun mal viel leichter. Und auch bei den alten Heften ist für den Sammler das Papier, die Farben, der Geruch und die damit verbundenen Erinnerungen meist wichtiger als der Inhalt. Der ist nur Zugabe. Darum wird ein Nachdruck auch niemals das selbe Glücksgefühl wie das Original hervorrufen.

    PS: Ein Beispiel um zu illustrieren was ich meinte:

    Ikonisches Foto aus dem Vietnam-Krieg: Negativ 7a - Medien - SZ.de (sueddeutsche.de)

    Man nenne mir einen Comic der die Macht dieses einen Bildes hat. Da kann auch Barfuß in Hiroshima nicht im Ansatz ran reichen. Selbst das Foto ist also schon die stärkere Erzählform. Und der verlinkte Artikel beleuchtet auch gut ("Beschnitt des Fotos") wie aus Dokumentation Erzählung wird!
    Geändert von Mr.Hyde (08.07.2021 um 18:36 Uhr)

  20. #20
    Mitglied Avatar von frnck1960
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    Zitat Zitat von Mr.Hyde Beitrag anzeigen
    Man nenne mir einen Comic der die Macht dieses einen Bildes hat. Da kann auch Barfuß in Hiroshima nicht im Ansatz ran reichen. Selbst das Foto ist also schon die stärkere Erzählform. Und der verlinkte Artikel beleuchtet auch gut ("Beschnitt des Fotos") wie aus Dokumentation Erzählung wird!


  21. #21
    Mitglied Avatar von Pickie
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    Zitat Zitat von Mr.Hyde Beitrag anzeigen
    (...) im Gegensatz zum Postulat im Eingangspost sehe ich den Comic (bei aller Liebe) eben als eine der schwächeren Erzählformen, weil sie vom Leser zu viele eigene Entscheidungen abfordert. Das beginnt bei der Lesegeschwindigkeit und endet bei der Gewichtung von Wort gegen Bild. Eine der Folgen der daraus resultierenden Simplifizierung beim Wandel des Comics zum Heft als Kindermedium (im Gegensatz zu den frühen Zeitungscomics) ist daher gerade die Verwendung einfach erfassbarer Stereotype und Chiffren.
    Einleuchtend, in der Tat, und sehr schön erklärt.

  22. #22
    Mitglied Avatar von PhoneBone
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    Nun gibt, bzw. gab es ja auch, schon einige Jahrzehnte her, die Weiterentwicklung des Comics vom vereinfachten Kindercomic hin zu einer erwachsenen Form, in der durchaus komplexere Geschichten erzählt werden, weg von einfachen Stereotypen und Chiffren. Als Beispiel sei hier mal „die Zehn Gebote“ genannt, eine Reise zurück in die Zeit, die einiges an Konzentration abverlangt, um die letztendliche Auflösung der Geschichte im allerletzten Band überhaupt begreifen zu können. Die Nachfolgeserie „Das Erbe“ setzt dann nochmal einen drauf. Eine großartige Konzeption, die in Romanform so nie funktioniert hätte, weil die Reihe wahrscheinlich viel zu lang geworden wäre, um den gleichen Inhalt abzubilden.

    Zum Thema vorgefertigte Bilderwelten: natürlich nimmt der Comic genau diesen Aspekt des Romans weg, kann aber da, wo der Roman ellenlange Detailbeschreibungen braucht, die ich mir mittlerweile angewöhnt habe zu überfliegen, weil das Geschriebene in meinem Kopf ohnehin zu keinem schlüssigen Bild führt, sich direkt auf die Geschichte konzentrieren. Gerade da, wo man sich außerhalb des Vorstellbaren befindet, kann der Comic problemlos seine Geschichte erzählen. Beispiel Leo: geradezu unvorstellbar, dass ein Roman es schaffen sollte, solch fremdartige Welten zu erschaffen, ohne in seitenlangen Beschreibungen auszuarten und die eigentliche Geschichte völlig aus den Augen zu verlieren.

  23. #23
    Mitglied Avatar von frnck1960
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    Zitat Zitat von BonePhone Beitrag anzeigen
    wo der Roman ellenlange Detailbeschreibungen braucht, die ich mir mittlerweile angewöhnt habe zu überfliegen, weil das Geschriebene in meinem Kopf ohnehin zu keinem schlüssigen Bild führt, sich direkt auf die Geschichte konzentrieren. Gerade da, wo man sich außerhalb des Vorstellbaren befindet, kann der Comic problemlos seine Geschichte erzählen. Beispiel Leo: geradezu unvorstellbar, dass ein Roman es schaffen sollte, solch fremdartige Welten zu erschaffen, ohne in seitenlangen Beschreibungen auszuarten und die eigentliche Geschichte völlig aus den Augen zu verlieren.

  24. #24
    Mitglied Avatar von Mr.Hyde
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    Zitat Zitat von BonePhone Beitrag anzeigen
    Nun gibt, bzw. gab es ja auch, schon einige Jahrzehnte her, die Weiterentwicklung des Comics vom vereinfachten Kindercomic hin zu einer erwachsenen Form, in der durchaus komplexere Geschichten erzählt werden, weg von einfachen Stereotypen und Chiffren.
    Leider ist der Weg umgekehrt. Der Kindercomic hat sich aus der erwachsenen, komplexen und vor allem künstlerischen Form entwickelt die Comics einmal waren. Lyonel Feininger, George Herriman, Winsor McKay, Frank King, Cliff Sterrett, später dann Realisten wie Milton Caniff, Alex Raymond oder Hal Foster. Und das sind nur die bekanntesten Namen.

    Dieses Niveau hat der Comic nie wieder erreicht. Schon gar nicht mit Leo oder den 10 Geboten.

    Buchtip dazu:

    Pioniere des Comic: Eine andere Avantgarde (Klassische Moderne) : Alexander Braun, Max Hollein, David Currier, Thomas Scheibitz: Amazon.de: Bücher

    Für den Preis ein echtes Schnäppchen! Und für die Haptiker...ja, ist Hardcover.
    Geändert von Mr.Hyde (09.07.2021 um 09:36 Uhr)

  25. #25
    Mitglied Avatar von frnck1960
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    Zitat Zitat von Mr.Hyde Beitrag anzeigen
    Leider ist der Weg umgekehrt. Der Kindercomic hat sich aus der erwachsenen, komplexen und vor allem künstlerischen Form entwickelt die Comics einmal waren. Lyonel Feininger, George Herriman, Winsor McKay, Frank King, Cliff Sterrett, später dann Realisten wie Milton Caniff, Alex Raymond oder Hal Foster. Und das sind nur die bekanntesten Namen.

    Dieses Niveau hat der Comic nie wieder erreicht. Schon gar nicht mit Leo oder den 10 Geboten.
    Das wird hier immer mehr zum Comedy-Thread. Ungefähr so wie Blinde, die sich über komplexe Farbkompositionen unterhalten.

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