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    Mitglied Avatar von Zardoz
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    Der Kurier von Armand u. Roulot

    Am Anfang steht die Frage nach dem Warum. Aus welchem Grund habe ich mir bloß den „Kurier“ angeschafft, obwohl er doch eindeutig als Opfergabe für die Hausgöttin vorgesehen war, als kleines, aber aufrichtiges Zeichen, künftig Verzicht zu üben, wieder ein wenig Vernunft einkehren zu lassen. Immerhin eine Serie, die mit x Bänden angekündigt ist. So etwas kann schnell wie bei den Elfen enden. Einige Zwergenfreunde gelten heute noch als in Arann verschollen, und Huxley ist nie wieder aufgetaucht, jedenfalls nicht als er selbst.


    Zur Erklärung hilft vielleicht ein kurzer Blick zurück. Nach längerer Zeit hat wieder ein Paket von ppm den gnadenlos unsortierten Comicshop erreicht, wo sich auf den Tischen, in den Regalen und in unzähligen Kisten Comics stapeln - Hefte, Hard- und Softcover gleichberechtigt über-, neben und untereinander - und Neuankömmlinge die Angewohnheit haben, irgendwo im Nirwana zu verschwinden. Hier sind Jagdinstinkt und Ortskenntnis notwendiger Teil der Überlebensstrategie. Nur der erfahrene Jäger kommt am Ende zum Absch(l)uss und Erfahrung habe ich mittlerweile genug gesammelt. Entscheidend ist es, die Beute zu erwischen, wenn sie gerade eintrifft, nichts ahnend von dem ungewissen Schicksal, das ihr droht. Solange man weiß, wo sie sich aufhält, ist es leicht. Muss man aber erst nach ihr suchen, wird es schwer. Strategisch ist es deswegen klug, sich mit den Anlieferzeiten der Zustelldienste vertraut zu machen und im Zeitfenster der Anlieferungen schon vor Ort zu warten, um das Packet selbst zu öffnen, bevor sich der Inhalt nach und nach im Dunkel des Geschäfts verliert.


    Ich bin also im Comicshop, als das Paket eintrifft. Jetzt ist Entschlusskraft und Entscheidungsfreude gefragt. Entweder wird die Beute jetzt sofort erlegt oder sie ist möglicherweise für längere Zeit entschwunden. Das Adrenalin treibt den Puls in ungeahnte Höhen. Ich schaue mir lieber nicht meine Biowerte auf der Uhr an. Es zählt jede Sekunde. Schweißtropfen fallen in den Karton, den ich mit dem Stiel eines herumliegenden Suppenlöffels geöffnet habe. Ich streife meine haftsicheren Noppenhandschuhe über. Dann zerre ich ein Opfer nach dem anderen heraus. Ich nehme, was in meine - Sorry Splitter - Panini-Warcraft Plastiktüten passt. Damit falle ich im Geschäft nicht auf. Tarnung ist alles. Im Eifer des Gefechts, bei all dieser Hektik muss dann irgendwie auch der „Kurier“ mit durchgerutscht sein ...


    Nun ja. Eigentlich doch eine einigermaßen plausible Erklärung. Ich habe aber gar nicht erst versucht, sie zu Hause vorzutragen. Die schichte Wahrheit ist, dass ich beim Anblick des Comics schwach geworden bin. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass mir vielleicht etwas entgeht.


    Und? Ist mir tatsächlich etwas entgangen? Schwer zu sagen. Vielleicht ist es aber auch einfach nur die falsche Frage. Habe ich mich gelangweilt? Ganz sicher nicht. Ist das Thema neu? Natürlich nicht. Dystopien gibt es wie Sand am Meer. Manche sollte man lieber hinter der „Mauer“ lassen. Trotzdem blieb nicht das Gefühl, den x-te Abklatsch von Mad Max und Co. gelesen zu haben.


    Der „Kurier“ ist Postman in einer Welt, in der es kein Eisen mehr gibt und „Rostbakterien“ sich weltweit verbreitet haben. Wie einst Kevin Costner übernimmt er praktisch jeden Zustellungsauftrag. Er bringt Sachen von A nach B, wobei Sachen praktisch alles sein kann. Die Zustellungsgebühr ist immer gleich, unabhängig von Gewicht, Schwierigkeitsgrad oder Jahreszeit. Der Kunde bekommt keine Kröte, dafür aber ein Ei, das er zu schlucken hat. Der Transport ist nicht immer ganz einfach, da auch „das Eisen im Blut“ der Menschen befallen ist, die unter allen denkbaren Mutationen leiden. Praktisch einer Welt voller X-men und X-Women. Natürlich hat auch unser Protagonist einige Tricks in Form von Superkräften drauf. In der actiongeladenen Vorstellungsszene darf er sie ausgiebig demonstrieren. Er scheint auch die besonderen Eigenschaften der besiegten Gegner übernehmen zu können. Zumindest lässt das die Feuerfaust (S. 16) vermuten. Glück gehabt, dass der Highlander bisher nicht vorbeigeschaut hat. Noch ein Filmzitat lässt aufhorchen. Die Technik, bei der Mola Ram im Temple of Doom noch ein langatmiges Ritual benötigt, hat der Kurier weiterentwickelt und professionalisert. Er schafft es in wenigen Sekunden. Respekt. Die eigentliche Geschichte beginnt aber erst nach diesem Intro. Der Kurier wird von den Frauen eines Dorfes engagiert, die verschwundenen Männer zu suchen. Schon alsbald erhebt sich der Vorhang für so eine religiöse Sekte (die „Kirche“), deren Priester nach Paaren suchen, die noch normale, also nicht mutierte Kinder zur Welt bringen können. Eine schwierige, arbeitsintensive Aufgabe, da es nicht mehr viele davon zu geben scheint. Es wirken außerdem mit: Kannibalen und die geheimnisvollen Funga. Die Mischung stimmt, um Spannung zu erzeugen. Der Erzählrhythmus ist schnell und duldet keine langatmigen Erklärungen. Die Auflösung des Rätsels der verschwundenen Männer finde ich recht originell und ruft bei mir Assoziationen an die griechische Sagenwelt hervor. Den eigentlichen Reiz zieht die Geschichte aber aus den zahlreichen, gänzlich unterschiedlichen Mutationen. Am meisten gelacht habe ich über den Gentracker. Das Beste kommt dann auch hier zum Schluss. Es wird noch eine weitere Person eingeführt, die wohl noch eine entscheidende Rolle spielen wird und der Geschichte eine neue Richtung gibt. Außerdem gibt es auf der letzten Seite noch einen Hinweis auf eine weitere „Eigenschaft“ des Kuriers.


    Das Artwork finde ich ausgesprochen gelungen. Die Bilder passen zur Dystopie einer verfallenen, im Untergang begriffenen Welt. Gedeckte Farbtöne runden das Ganze ab.


    Die Fortsetzung hat Splitter für April 2022 angekündigt. Freunde des Genres bleibt also noch genügend Zeit, den ersten Band zu lesen. Ich hoffe, auch @CHOUETTE überzeugt zu haben, dem ich für seine netten, aufmunternden Worte an anderer Stelle herzlich danke.
    Geändert von Zardoz (16.05.2021 um 15:37 Uhr)

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