Mondgesicht

[Zardoz]

Erstaunlich, dass dieses Werk zweier Ausnahmekünstler noch keine Besprechung erfahren hat. Ursprünglich hatte ich den Comic auch nicht auf meiner der Liste. Es war vielmehr ein Spontankauf. Hervorragende Optik und Haptik gaben den Ausschlag.

Inhaltlich eine Dystopie. Die Welt nach einer Umweltkatastrophe, beherrscht von einer faschistoiden Regierung, die von zahlreichen unterschiedlichen Widerstandsgruppen bekämpft wird. Es herrschen abstruse, wahnwitzige religiöse Vorstellungen, die von skrupellosen Machtmenschen bzw. Sektenführern für eigene Zwecke ausgenutzt werden. Die Protagonisten: eine weltliche Widerstandskämpferin und eben Mondgesicht, ein kindliches Wesen mit außergewöhnlichen Eigenschaften, von dem wir noch nicht erfahren, wer er ist und woher er kam. Vielleicht ist er der Erlöser. Das Ende offen. Es werden noch zwei weitere Bände folgen. Die Geschichte baut geschickt einen Spannungsbogen auf. Viele mehr oder weniger originelle Einfälle prägen die Erzählung, verbunden durch eine wilde Verfolgungsjagd.

Zu den von Boucq gezeichneten Bildern muss nichts mehr gesagt werden. Viel besser hätte man die Geschichte nicht umsetzen können. Der Stil erinnert eher an Teufelsmaul (erschienen bei Splitter), weniger an Bouncer (erschienen bei s & l).

Sehr interessant ist auch das der GA vorangestellte Dossier. Es enthält einige Skizzen und Zeichnungen und schildert die Entstehungsgeschichte des Werkes, bietet wertvolle Interpretationshilfen und erleichtert das Verständnis. Mein Tipp: erst nach Mondgesicht lesen.
Der Verfasser des Dossier, dessen Namen ich nicht gefunden habe, schildert auch augenzwinkernd gewisse Eigenheiten der Künstler. An manchen Stellen konnte ich zumindest ein Schmunzeln nicht vermeiden. Boucq war zumindest in den Neunzigerjahren jemand, der offenbar sehr aufgeschlossen war gegenüber Leuten, die Wasseradern suchten, und das Pendel darüber entscheiden ließen, ob zwei Menschen harmonisch miteinander auskommen können. Nun ja. Seiner Kunst hat es zumindest nicht geschadet.

Fazit: ein moderner Klassiker, den jeder "Comickunstliebhaber" in seinem Regal stehen haben sollte, in einer hervorragend aufgemachten GA. Damit hat s & l mal wieder unter Beweis gestellt, dass sie ganz oben mitspielen in der Liga.