Mitnichten. Aber man muß das ja jeweils mit den Augen des Betrachters sehen: WIR empfinden es als schlimm, dass die Chinesen Hunde essen. Die Inder werden es wohl noch schlimmer finden, dass wir Kühe essen (Hunde sind bei uns ja wenigstens nicht 'heilige' Tiere). Und UNS kommen ein paar Karikaturen oder 'satanische Verse' harmlos vor, aber der streng extremistische Moslem empfindet es möglicherweise als schlimmer als Kinderschändung.
Ich sage damit NICHT, dass man deshalb dann Karikaturen mit Todesstrafe belegen darf, aber um den anderen zu verstehen, ist es hilfreich, sich in ihn reinzuversetzen, und dafür ist hilfreich, sich ein Äquivalent aus dem eigenen 'Werte-Kosmos' zu suchen. Es geht ja dabei nicht so sehr um die Handlung, sondern darum, wie die Handlung jeweils empfunden wird. Erst dann kann man ggf. VERSTEHEN, was in einem fanatischen Attentäter vor geht. Oder in dessen Sympathisanten.
Und um für Probleme Lösungen zu finden, halte ich es immer für hilfreich, erstmal das Problem zu VERSTEHEN. Wobei 'verstehen' hier nicht mit 'entschuldigen' oder 'rechtfertigen' oder ähnlichem gleichgesetzt werden soll. Nur weil ich Verständnis dafür habe, wie jemand 'tickt', heißt das nicht, dass ich die Handlungen gut heiße, die er dann daraus ableitet. Aber erst wenn ich weiß, wie jemand denkt, kann ich ihm im Zweifel klar machen, wo sein 'Denkfehler' liegt. - Und das ist in dem Ausgangspunkt-Vergleich ganz einfach: Jeder gläubige Moslem hat die Freiheit, die 'schriftstellerische Arbeit' von Rushdie einfach nicht zu lesen (und kann es seinem Gott überlassen, wie der dann Rushdie ggf. 'bestrafen' wird). Das Kind, das vom Kinderschänder mißbraucht wird, hat diese Entscheidungsfreiheit nicht.
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