Manu:
In Science-Fiction-Filmen werden außerirdische Lebensformen meistens sehr menschlich dargestellt, und wie Sie selbst zu sagen pflegen: „Der Außerirdische ist auch nur ein Mensch“. Ist es nicht wesentlich wahrscheinlicher, dass sich das Leben auf einem anderen Planeten unter anderen Bedingungen wesentlich von dem unterscheidet, wie wir es von der Erde her kennen?
Prof. Dr. Harald Lesch:
Man darf eines nicht unterschätzen: Das Leben, das wir sehen auf unserem Planeten, ist das Resultat aus drei- bis viereinhalb Milliarden Jahren Erfolgsstory. Alles, was wir hier auf diesem Planeten sehen, ist eine Erfolgsgeschichte. Das heißt: Auf unserem Planeten sind die Dinge so wie sie sind, weil wir einen Stern haben, der relativ angenehme Temperaturen produziert, weil wir eine Atmosphäre haben, die neben dem Stickstoff aus einem außerordentlich aggressiven Gas besteht, dem Sauerstoff. Wir Lebewesen an der Oberfläche haben uns daran gewöhnt und bestimmte Sensoren entwickelt. Nun, gucken wir uns den Außerirdischen an, dann entscheidet bereits die erste Weggabel darüber, wie dieses hochentwickelte Lebewesen irgendwann einmal aussehen wird. Und das ist die Frage - aus welchen Atomen werden Lebewesen auf anderen Planeten aufgebaut sein? Es gibt eine Definition von Leben, die nicht bestritten wird. Das ist nämlich, dass es sich um organisierte Materie handelt, die sich selbst reproduziert. Um diesen Reproduktionsakt zu vollziehen, muss Information von der bereits strukturierten Materie auf die noch nicht strukturierte Materie irgendwie übertragen werden. Und das scheint in der Tat nur möglich zu sein mit Kettenmolekülen.
Bestes Beispiel ist die Form von Wassermolekülen. Da hat man also einen elektrischen Dipol, der hat 105°, und dieses Wassermolekül führt nun dazu, dass die anderen Wassermoleküle, die eben auch elektrische Dipole sind, sich in einer gewissen Art und Weise anordnen. Das heißt: Schon die Eigenschaft von Wasser enthält Informationen, schlichtweg deswegen, weil die Moleküle nicht wie beim Schwefelwasserstoff wie eine Hantel aufgebaut sind. Deswegen ist Schwefelwasserstoff bei den normalen Temperaturen eben auch nicht flüssig, sondern längst zu Gas geworden. Beim Wasser haben wir es also mit einem Dipol zu tun, und das ist so eine Form, bei der die Wasserstoffbrückenbildung dazu führt, dass Kettenmoleküle sich stärker verbinden können. In der DNA z. B. hängt die Wasserstoffbrückenbindung wie so eine Art Leitersprosse dazwischen.
Das heißt, wir müssen danach fragen: Welche Atome können Kettenmoleküle bauen? Und da gibt es nur zwei im Periodensystem. Und dieses scheint vollständig zu sein. Es gibt keine Elemente, die uns da fehlen. Das eine ist Kohlenstoff, das andere Silizium. Nehmen wir unseren Planeten als typisches Beispiel für einen Planeten, auf dem Leben entstanden ist. Auf diesem Planeten gibt es viel mehr Silizium als Kohlenstoff. Aber wir atmen nicht Siliziumoxid aus, sondern Kohlendioxid. Das ist auch gut so, denn wir beide hätten hier erheblich zu tun, mit dem ganzen Sand fertig zu werden, den wir da ausatmen. Der Grund dafür ist natürlich letztlich in der Physik zu suchen. Siliziumketten funktionieren nur bei sehr niedrigen Temperaturen. Und die Chemie bei sehr niedrigen Temperaturen, das weiß jeder bei seiner Gefriertruhe, ist sehr langsam. Damit hat sich der Fall erledigt. Und zudem finden wir eben jede Menge Kohlenwasserstoffverbindungen im Weltraum. Also selbst da draußen, wo alles eklig ist: Kohlenstoff ist es! Wenn es Kohlenstoff ist, dann wissen wir auch den Energiebereich, den der Stern haben muss, damit Kohlenwasserstoffverbindungen überhaupt existieren können. Wir können das nicht in einem Stern haben, der UV-Strahlung in seinem Maximum hat, wir können es auch nicht in einem Stern machen, der zu infrarot ist, also zu schwach. Und das ist genau so ein Stern wie die Sonne. Man kann eine ganze Reihe von Argumenten finden, warum wir uns nicht wundern sollen, dass die Katze ihre Löcher da im Fell hat, wo sie ihre Augen hat, bzw. warum wir hier sind. Offenbar ist das alles außerordentlich gut aufeinander eingerichtet. Ein Stern, der so ähnlich eingerichtet ist wie die Sonne, der also sein Maximum im gelbgrünen Licht hat, mit einem Planeten, der in der richtigen Entfernung ist usw., der wird bestimmte Temperaturen erzeugen. Und dann wird's interessant. Wenn nämlich dieser Planet etwas zu schwer ist, dann gast er zu viel aus. Dann ist der Druck auf die inneren Steine zu groß und es bildet sich zu viel Kohlendioxid. Kohlendioxid erzeugt den Treibhauseffekt, und das wissen wir alle, das hat keinen Wert. Er darf auch nicht zu klein sein, sonst verliert er zu viel atmosphärisches, wie beim Mars. Wenn es Marsmännchen gäbe, dann hätten die einen Brustkorb wie einen Container. Das alles führt dazu, dass wir versuchen, in die Nähe von irdischen Zuständen zu kommen.
Warum sehen wir so aus? Wir haben Augen, um uns vernünftig zu orientieren. Wir sind genau in dem Bereich empfindlich, in dem die Sonne ihr Maximum hat, und wir haben Ohren, weil wir in einem Medium existieren, das Schallwellen überträgt. Das macht auch Sinn. Nicht nur zur Orientierung, sondern auch zum Austausch von Informationen. Ich will damit nur wiederholen, dass wir gar nicht so weit entfernt sind von, ich will jetzt nicht sagen, einer Art 08/15-Schnitt der Lebewesen. Aber wenn es auf einem Planeten überhaupt gelingt, dass Lebewesen sich aus Einzellern überhaupt gebildet haben, was immer noch die Frage ist, dann kann ich mir gut vorstellen, dass die irgendwie so ähnlich aussehen. Vielleicht haben die ein paar Finger mehr oder so was, aber dass z. B. irgend ein Lebewesen zwei Gehirne hat, halte ich für außerordentlich problematisch. Dann sind die ewig im Widerstreit miteinander, und das ist sicherlich schwierig. Oder wenn ein Lebewesen einen Stoffwechsel hat, wo es pausenlos fressen muss wie verrückt, das ist auch nichts. Also es werden sich da schon die Erfolgsrezepte durchdeklinieren und irgendwas bleibt dann übrig. Irgendwie werden sie schon aussehen. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir sie erkennen können. Das ist wichtig: Dass wir sie als Lebewesen erkennen können und dass es sich nicht um Steine handelt, die alle 600 Millionen Jahre mal mit dem Auge blinzeln und dann eine riesen Geschichte erzählt haben. Ich glaube auch nicht, dass Gaswolken lebendig sind, obwohl es solche Theorien gibt.
Manu:
Glauben Sie ganz persönlich an die Existenz außerirdischen Lebens in unserem Universum?
Prof. Dr. Harald Lesch:
Ja! Grüner Schleim! Grüner Schleim in Hülle und Fülle, aber komplexe Lebewesen halte ich für ausgeschlossen selten. Ich bin ganz sicher, dass es Planeten gibt, die so ähnlich wie die Erde sich um einen ähnlichen Stern herum drehen und Materie sich organisiert hat, also anorganische Materie zu organischer, und es bis zu richtigen biochemischen Prozessen durchgeschafft hat. Aber dann wird's schwierig. Wenn wir unseren Planeten anschauen, er ist perfekt für Leben ausgerüstet, und es hat MILLIARDEN Jahre gedauert, bis es endlich mal geklappt hat. Wir haben wirklich viel Dusel gehabt. Ich glaube, dass es viele Planeten im Universum gibt, wo grüner Schleim ist, und dass er relativ häufig auch ruckzuck wieder verschwindet, weil der Planet bombardiert wird, oder warum auch immer.
Manu:
Ist es dann überhaupt von Bedeutung, ob dieses Leben von intelligenter Natur ist?
Prof. Dr. Harald Lesch:
Es wäre natürlich der Triumph, wenn wir überhaupt Leben fänden, wie z. B. mit dem "Projekt Darwin". Da wird ja in etwa 20 Jahren nach Ozon gesucht. Ozon ist eines der ganz wichtigen Moleküle, das darüber verrät, dass auf einem Planeten Biochemie sich abspielt. Wenn man da was fände, das wäre ein Triumph, denn das würde bedeuten, wir können wirklich über Leben etwas sinnvolles aussagen. Unsere Vorstellungen darüber würden sich auf andere Planeten übertragen lassen. Das wäre natürlich ein riesen Nagel für uns, dass wir unsere Plakette an die Tür der menschlichen Geschichte hängen könnten. Das wäre fantastisch! Aber in der öffentlichen Debatte, da interessiert sich kein Mensch für den grünen Schleim. Man will natürlich die Lichtwesen haben, die ihre Patentrezepte über uns ausschütten. Das ist es doch, was wir uns von ihnen erhoffen. Wenn man sich vorstellt, hier würde ein Raumschiff herkommen und dann kämen da irgendwelche Regenwürmer raus....das will man doch nicht. Das wäre doch widerlich.
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