Was kommt nach "Das war Zack"
Ziehstripp:
Über die Zeit nach der Serie "Das war Zack" brauchen wir uns noch keine Gedanken machen.
Bei dem Tempo, wie die Fortsetzungen veröffentlicht werden, dauert es mindestens noch ein Jahr, bis sie fertig ist.
MP
Blueberry und die Indianer
Zitat:
Original geschrieben von zaktuell
Im allerersten BLUEBERRY-Band 'Fort Navajo' von 1963 herrschte bereits das gewandelte Klischee vom 'edlen Wilden' vor: Das Böse war hier eindeutig durch den 'Indianerhasser' Bascom personifiziert, die Indianer waren durchweg die von den Weissen betrogenen Opfer.
Von 'hartem, ehrlichen Kampf' kann schon im zweiten Aufeinandertreffen von Indianern und Weissen nicht die Rede sein: Eine Gruppe von arglos ("Wir haben nichts zu befürchten! Apachen leben in Frieden mit Soldaten!") dahinziehenden Indianern werden -in der Tat sorglos- dahingemetzelt.
Gruss!,oliver
Es ist natürlich völig richtig, dass bereits in "Fort Navajo" ein progressiveres, differenzierters Indianerbild gezeichnet wurde als in den meisten alten Hollywood-Western - und dass Bascom als verrückter Rassist porträtiert wurde.
Nur um nochmals zu verdeutlichen, was ich meine: In der Indianer-Trilogie der späten 70er/frühen 80er haben Charlier und Giraud mit Sorgfalt und eindeutiger Sympathie ausführlich das Leben und Leiden der Indianer geschildert, die physisch wie kulturell vernichtet werden. Aus diesen Schilderungen heraus - und weil Blueberry als Protagonist eindeutig auf Seiten der Indianer agiert - wächst im Lauf der Erzählung die Bereitschaft, sich mit den Indianern und ihrem Schicksal zu identifizieren.
In den früheren Indianer-Bänden der 60er Jahre wird zwar bereits klargestellt, dass die Apachen die schuldlosen Opfer übler Intrigen sind. Wir erhalten aber - anders als in den späteren Bänden - kaum Einblick in ihre Lebensgewohnheiten, und Blueberry agiert auch nicht als Quasi-Stammesgenosse, sondern als Kavallerist.
Kurz: Die Indianer bleiben auch in diesen Bänden die Fremden und potentiellen Feinde, und sie werden auch in diesen Bänden regelmäßig als Kanonenfutter eingesetzt, um spannende Actionszenen zu kreieren. Dabei werden sie als anonyme Masse von den Soldaten bekämpft. Sie werden regelmäßig niedergeschossen oder unter einem Steinhagel begraben ("Der einsame Adler", S. 35) oder in die Luft gesprengt ("Aufruhr im Westen", S. 17). Und sie haben dabei nicht unsere Sympathien oder unser Verständnis auf ihrer Seite - während die Autoren ständig Identifizierungsangebote für die von den Indianern bekämpften Soldaten unterbreiten. (Matt schildert in "Der einsame Adler", S. 18, ausgiebig das Schicksal des dahingemetzelten Trupps.)
Was ich damit sagen will: In diesen Bänden wird letzten Endes noch das alte, wenn auch abgemilderte Gut/Böse-Schema angewendet - gerade weil die Indianer nur als anonyme Angreifermasse auftreten und weil wir uns mit den malträtierten Soldaten identifizieren sollen.
In der späteren Indianer-Trilogie ist das - aus den oben genannten Gründen - ganz anders. Die Identifikation findet mit den Indianern statt, das Thema ist ihr Überlebenskampf - und nicht der Überlebenskampf der Kavallerie. Die Indianer sind keine anonyme Manövriermasse mehr, die man innerhalb Plots bei Bedarf als Feinde anreiten (und niederknallen) lassen kann.
Im übrigen sind auch die weißen Bösewichte in meinen Augen in den späten Bänden viel eindrucksvoller. Während Bascom als quasi motivationsloser grimassierender Blödmann und daher klischeehaft erscheint, ist Eggskull ein komplexer, ausgearbeiteter - und natürlich perverser - Charakter. Ähnliches gilt (einige Bände früher) für General Allister, der als karrieresüchtiger Widerling charakterisiert wird.
Alles in allem bleibt "Blueberry" einfach ein großartiges Beispiel dafür, wie sich die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten von Comicmachern im Laufe der Jahre verfeinern können - und ihre Arbeiten dadurch eine ganz neue Qualität gewinnen. Dies alles, nicht zu vergessen, stets im Rahmen einer betont kommerziellen, genredefinierten Erzählung, die nicht für irgendwelche Avantgardisten hergestellt wurde.
Gruß
Jürgen
Blueberry - Eisenbahnbau - Indianerkriege
Schön, dass hier immer noch so heftig diskutiert wird. Dann kann ich ja auch wieder mitmachen. Da ich oben bereits aus der Abhandlung über Blueberry von Markus Tschernegg zitiert habe, greife ich dies hier mal auf:
Markus Tschernegg, Blueberry - Ein Western kommt in die Jahre (Comic Forum Nr. 62, S. 9 ff (22, 23)
"Der Bau der Eisenbahn - Indianerkriege - Zyklus 3
Dieser große klassische Zyklus beginnt 1968 irgendwo mitten beim Bau der transkontinentalen Eisenbahn, die von Osten beginnend über Nebraska, über Wyoming nach Utah führen und vom Westen her über Kalifornien und Nevada nach Utah vorstoßen sollte. Für den Ostteil war die Union Pacific Gesellschaft zuständig, während die Weststrecke von der Central Pacific gebaut wurde. 1862 wurde mit den Planungen zum Bau dieser verbindenden Eisenbahn begonnen, erst nach dem Bürgerkrieg (1866) konnte mit dem Bau begonnen werden. Jede Eisenbahngesellschaft sollte ihrem Baufortschritt entsprechend Land am Schienenstrang zugesprochen bekommen, daher kam es bald zu einem erbitterten Kampf zwischen den beiden Gesellschaften. Sie behinderten sich gegenseitig bei der Arbeit, indem sie auch nicht davor zurückschreckten, die Indianer aufzuhetzen.
Unter diesen düsteren Vorzeichen beginnt die Episode "Das eiserne Pferd" und wir finden Blueberry und Jimmy McClure, zu denen sich bald Red Neck als ständiger Begleiter hinzugesellen sollte, mitten beim Bau der Eisenbahn. Blueberrys Gegenspieler über drei Alben, Jethro Steelfingers, wurde von der Central Pacific gekauft, um den Buafortschritt der Union Pacific aufzuhalten. General Dodge, ein alter bekannter aus den Jugendabenteuern, heuert Blueberry an, damit er für Ordnung sorge. Blueberry muß, oder darf also schon wieder einmal mit den Indianern verhandeln und er schafft das schier Unmögliche: Die Indianer sind zu einem Frieden bereit. Aber wie so oft in der Geschichte brechen die Weißen diesen Frieden wieder. General Allister, ein verkappter General Custer, plant einen Feldzug gegen die Sioux, denn "nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer".
Mit Guffie Palmer tritt erstmals eine Frau in Blueberrys Leben, die für ihn sowohl Freundin als auch Mutter sein könnte. In diesem Geschichtszyklus wird Guffie Palmer noch sehr karikaturhaft, ja Uderzo-like, überzeichnet.
Die persönliche Geschichte von Blueberry wird zur kollektiven Geschichte eines Landes, das sich durch Kampf und Unterdrückung zur Weltmacht gemausert hat. Blueberry wird immer stärker in die Rolle des entehrten, aufmüpfigen Soldaten gedrängt, der nicht mitansehen kann, wie die Indianer einfach abgeschlachtet werden sollen. Er wird sogar ins Gefängnis gesteckt, weil er einen Indianerkrieg verhindern wollte. Seine private Motivation nichts mehr mit einem Soldaten gemein, der als bloßer Befehlsempfänger ohne Hirn handelt. Doch gerade das bringt ihn vor größte Probleme. Und in Allister begegnet er seinem erbittersten Feind, der ihm noch lange Jahre zu schaffen machen sollte.
Girauds Stil hat sich weiterentwickelt, er verwendet zusätzlich zum Pinsel die Feder und erreicht mit seinen Schraffuren dadurch eine bessere Tiefenwirkung der Bilder. Faszinierend auch das sanfte Spiel mit den Farben im Album "General Gelbhaar", wo blau (Uniformen) und weiß (Schnee) in spielerischer Form Verwendung finden.
Alle vier Alben dieses Zyklus spielen im Norden, in Utah, Colorado, dort, wo die Sioux und Arapahos leben. während sich der erste Zyklus im Süden (Arizona, New Mexico, Texas) bei den Apachen abspielte. Hier hat Charlier als Texter also auch darauf geachtet, daß er möglichst viele unterschiedliche Aspekte eines Themas aufgreifen konnte. Denn in den folgenden Alben sollten die Indianer nur mehr sporadisch auftreten und bis zum Album "Gebrochene Nase" ganz aus den Blueberry-Alben verschwunden sein."
Und hier noch ein "Schmankerl" am Rande:
Markus Tschernegg, Gefangen in der Moebiusschleife (a. a. O.)
"Jean Giraud hatte schon 1963 für seine eher satirischen Arbeiten das Pseudonym Moebius gewählt. Die Moebius-Schleife, die eine verschlungene Acht darstellt udn die Unendlichkeit symbolisiert, hat auch den Künstler Jean Giraud zu schaffen gemacht. Schon im ersten Zyklus verwechselt er links mit rechts, wenn Blueberry einmal auf dieser, kurz darauf aber schon auf der anderen Seite der Felswand steht. Dieser Irrtum passiert ihm auch mit der eisernen Hand von Steelfingers aus dem Eisenbahnzyklus. Steelfinger hat die ganze Zeit über seine rechte Hand unter einem Handschuh verborgen, weil sie aus Eisen ist. Doch Sitting Bull trägt nach dem Tode von Steelfinger plötzlich seine linke Hand um den Hals.
Auch ein Indianerangriff in "General Gelbhaar" findet zuerst mit der rechten Hand statt, dann, wahrscheinlich weil der Indianer sich vor Blueberry gefürchtet hat, verwandelt sich der Angreifer in einen Linkshänder."
__________________Ende des Zitats___________________
M. E. sind die wesentlichen Charaktereigenschaften von Blueberry bereits im ersten Zyklus vorhanden. Was sich bei Blueberry sehr deutlich sichtbar ändert, ist sein Aussehen. Solch drastische Änderungen der zeichnerischen Darstellung von Comic-Figuren ist eher seltener (nicht nur Danny, Tangy. der rote Korsar, auch Michel Vaillant, Rick Master, Luc Orient, Dan Cooper etc.). Mit diesen äußerlichen Veränderungen wirkt die Serie "Blueberry" insgesamt realistischer als z. B. die oben genannten (ich muss doch irgendwann einmal nachsehen, ob sich die Frisur von Rick Master mehr oder weniger als einmal in all den Jahrzehnten verändert hat ;-)
Ciao
Martin
Re: Blueberry - Eisenbahnbau - Indianerkriege
Zitat:
Original geschrieben von Martin 37
[BM. E. sind die wesentlichen Charaktereigenschaften von Blueberry bereits im ersten Zyklus vorhanden. [/B]
Das ist auf jeden Fall richtig. Wahrscheinlich ist das aber auch erst in der comichistorischen Rückschau so deutlich erkennbar. Ich vermute, dass die Figur von Charlier als Sidekick von Graig angelegt wurde, der als eine der typischen Charlier'schen Heldenfiguren konzipiert war. Es ist ja auch bekannt, dass die Serie zunächst nicht "Blueberry", sondern "Fort Navajo" hieß.
Charlier/Giraud scheinen aber wohl ziemlich schnell erkannt zu haben, dass Blueberry die eigentliche Hauptfigur ist. Das Potential der Figur hat sich dann aber erst im Lauf der Jahre wirklich entfaltet.
Gruß
Jürgen